Jeder von ihnen
ist ein kleiner Abenteurer. Wer nicht mit anpacken will, ist bei ihnen fehl
am Platz. Sie setzen sich füreinander ein, ohne Idealisten zu sein. Sie
versuchen, im Einklang mit der Natur zu leben, ohne technikfeindlich zu
sein. Sie sind eine große Familie, in der jeder seine Stärken ausleben kann.
Die Rede ist von den Pfadfindern. Seit 100 Jahren gibt es die Bewegung. Zu
diesem Anlass schlagen die Heilbronner Pfadfinder ihre Zelte auf einer Wiese
am Waldrand von Sennfeld auf. Der Adelsheimer Stadtteil liegt im
Neckar-Odenwald-Kreis. Hier bereiten 23 Pfadfinder ein großes Pfingstlager
vor. Hier soll Ende Mai ihr großes Fest steigen.
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Mit vollem Einsatz bei der Sache:
Christian Dobler klettert auf die Eiche, um an einem kräftigen Ast
das Seil für das Kothezelt zu befestigen. |
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Fleißarbeit Pfadfinder
passen sich der Natur an. Sie scheuen keine körperliche Herausforderung. Das
trifft auch auf Christian zu. Wie Tarzan, nur ohne Liane, zieht sich der
22-Jährige an einem Seil, das an einem Ast befestigt ist, den Baum hoch.
Zwei Mal rutscht er ab, fängt sich aber wieder. Sein Griff wird fester, ehe
er seinen Körper wieder unter Kontrolle hat. Oben angekommen drückt er die
Blätter der Eiche zur Seite und schaut zwischen zwei kleinen Ästen nach
unten. Vico reagiert am schnellsten und wirft dem schlaksigen Bad Wimpfener
ein zweites Seil zu. Gefangen. Am Ende des Stricks hängt ein Holzkreuz.
Christian: „Damit wird das Zeltdach befestigt.“
Zweieinhalb Meter unter ihm liegen vier
rund zwei Quadratmeter große Planen. Allesamt schwarz. „Die müssen wir
zusammenbinden“, sagt Luisa. Sonst gehört die 19-Jährige zu den Aufgedrehten
und ist immer für einen Spaß zu haben. Wenn sie in der Gruppe wirbelt,
kommen die Jungs schwer dagegen an. Jetzt aber ist Akribie gefragt. Loch für
Loch fädelt Luisa die Planen zusammen. „In einer viertel Stunde kann man ein
Zelt aufbauen“, so die Böckingerin. Heute brauchen die Pfadfinder etwas
länger. Schließlich muss der Aufbau in Wort und Bild dokumentiert werden.
Nach 25 Minuten steht die Kothe, so der Name des Zeltes, dessen Urform aus
Lappland stammt. Christoph: „Das können wir sogar mit einem Feuer innen
beheizen. Der Qualm zieht durch ein Abzugsloch nach außen.“
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Der Heilbronner Simon Brenner
packt beim Holzmachen mit an. |
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Nicht alle Zelte können mit dieser Technik aufgebaut werden. Deswegen
machen sich die fleißigen Helfer auf den Weg, um Holz zu schlagen, die
Kothenstangen. Mit Motorsäge und Axt im Kofferraum fahren sie in ein nahe
gelegenes Waldstück.
Die Hitze drückt, und der Boden ist
trocken. Die Autos wirbeln Staub auf. Ein Spaziergänger mit weißen Haaren
blickt der Gruppe, allesamt mit Heilbronner Kennzeichen, hinterher.
Ungläubig verdreht er die Augen. Kommen Ende Mai rund 350 Pfadfinder nach
Sennfeld, wird sich seine Verwunderung noch steigern. Im Waldstück
angekommen, rattert schon die Motorsäge. Jeweils zwei Pfadfinder schleppen
die Stämme, die sie später als Zeltstangen benutzen. Keine Arbeit für
Schwächlinge. Simon verzieht das Gesicht - ihm ist die Anstrengung
anzusehen. „Von denen brauchen wir 200 Stück“, so der Heilbronner Student,
der schon seit 13 Jahren dabei ist. Damals versprach er, sich an die
Pfadfindergesetze zu halten.
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Luisa Dollinger (links) und
Claudia Dederer genehmigen sich eine Pause. |
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In diesen werden Treue, Kameradschaft und Hilfsbereitschaft verlangt. Von
jedem. „Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder. Das ist eine
Lebenseinstellung“, sagt der 27-jährige Steffen voller Überzeugung. Trotz
der anstrengenden Vorbereitungen auf das Pfingstlager gönnen sich die
Pfadfinder zwischendurch eine Pause. Sie bilden einen Kreis und klatschen in
die Hände. Sie nennen das ihren afrikanischen Sonnentanz. Steffen: „Damit
verbreiten wir gute Stimmung. Ein Pfadfinder singt, pfeift und lacht in
allen Lebenslagen.“
Danach stimmen sie noch ein Lied an. Vico
greift in die Saiten. Mit jeder Strophe werden sie befreiter. Sie singen
sich in einen Rausch. Jeder will der Lauteste sein. Gemeinsam, wie sie es am
liebsten haben, sind sie unschlagbar. „Sind wir einmal fortgezogen, dorthin,
wo es uns gefällt, bringt auch unser Regenbogen neue Farben in die Welt“,
heißt es in ihrem „Regenbogenlied“, das sie immer singen, wenn sie sich
treffen. Es passt auch zum heutigen Tag, an dem es die Pfadfinder in ein
Dorf im Neckar-Odenwald-Kreis verschlagen hat. Hier fühlen sie sich wohl.
Das ist ihre Welt. Wer in die Gesichter der Pfadfinder schaut, kann es
sehen.
Bei Vico hält der Zauber noch länger an.
Während sich die anderen wieder an die Arbeit machen, lehnt sich der Junge
mit der Gitarre gegen einen Baum und spielt noch einige Lieder. Nur für
sich. Weit weg von den anderen und dem Rest der Welt.
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Sucht die Ruhe: Vico Weinstock,
der Junge mit der Gitarre. |
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Die Gemeinschaft Sitzen sie
zusammen, reden sie auch über das, was ihr Handeln bestimmt. Es menschelt.
„Ich bin Pfadfinder, weil man Kinder zum Lachen bringt“, so Steffen. Damit
meint er die jüngsten Mitglieder. Die Wölflinge, so die Bezeichnung der
Jungs, und die Wichtel, wie die Mädchen in manchen Pfadfinderverbänden
genannt werden. Sie können ab einem Alter von sieben Jahren dazustoßen. „Ich
möchte sehen, wie sie bei uns groß werden“, sagt Christoph. Wenn er das
sagt, glänzen seine Augen. Für einen kurzen Augenblick scheint es, als
spräche der Pfadfinder von seinen eigenen Kindern.
Schon in jungen Jahren wollen die
Pfadfinder die Kleinen lehren, was wichtig ist. Es geht um Gefühle und eine
innere Verbindung - kurz: das Gemeinschaftsgefühl. „Das ist das Wichtigste“,
sagt der 29-jährige Andreas - mit voller Überzeugung. Stimmt die
Einstellung, spielen das Alter oder auch das handwerkliche Geschick keine
Rolle. Simon: „Bei uns kann man alles lernen.“
Nach Sternen greifen
Sprechen die jungen Menschen über ihr Leben, schweifen sie in die Ferne.
„Viele Astronauten waren Pfadfinder“, sagt einer der Jungs plötzlich, und
sein Blick wandert gen Himmel. Als würde er tatsächlich nach den Raumfahrern
suchen. Wie die Männer im All greifen auch die Pfadfinder immer wieder nach
den Sternen und suchen das Abenteuer. Im beschaulichen Sennfeld wird am
Pfingstwochenende ein weiteres dazukommen.
Stichwort
Ursprünge Die
Pfadfinderbewegung ist eine internationale und unpolitische Bewegung für
Kinder und Jugendliche. Das erste Pfadfinderlager organisierte der britische
General Robert Baden-Powell im Jahr 1907.
Pfadfinder im Unterland Im
Landkreis Heilbronn gibt es drei Pfadfinderverbände mit insgesamt 1575
Mitgliedern. Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) hat 75
Mitglieder und jeweils einen Stamm in Heilbronn und in Untergruppenbach. Die
Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) hat im Landkreis Heilbronn 750
Mitglieder in 14 Stämmen. Der Verband Christlicher Pfadfinderinnen und
Pfadfinder (VCP) besteht aus ebenfalls 750 Mitgliedern, die sich auf 17
Stämme verteilen. Im gesamten Hohenlohekreis gibt es rund 250 Pfadfinder.
Infos zu den Pfadfindern
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